One more time

Leider ist der Original-Beitrag vermutlich einem schwarzen Loch zum Ofer gefallen, also versuche ich ihn jetzt, am Tag danach zu rekonstruieren und ergänzen…

Als ich im Herbst 2021 den Jakobsweg gegangen bin, habe ich mit bei der Heimreise schon gewünscht, diese Erfahrung noch einmal machen zu können. Was ich nicht wusste bzw. als eine der vielen Legenden, die auf dem Camino verbreitet werden, abgetan hatte, war, dass der eigentliche Weg nach der Rückkehr beginnt: es gilt, die Erlebnisse, Begegnungen, Erfahrungen in den Alltag zu transferieren und damit leben zu lernen.

Und so sitze ich im Zug Richtung Südfrankreich und sinniere darüber nach, was vom letzten Jakobsweg eigentlich übrig geblieben ist. Aber der Reihe nach:

Im Laufe des Jahres 2022 hatte ich die Idee entwickelt, andere Menschen auf den Camino zu begleiten. Viele Leute haben mir die Rückmeldung gegeben, dass sie das auch soooo gerne machen würden, sich aber alleine nicht trauen oder keine Lust haben, oder oder oder.

Ja, diesem „oder“ hätte ich lauschen sollen. Ich hatte die Idee, genau mit diesen Menschen zu gehen, damit keiner alleine muss. Am Ende hat sich diese Möglichkeit jedoch nicht gegeben, weil die „oder‘s“ halt doch zu wichtig waren. Es klingt ein wenig bitter, wenn ich dies so schreibe, dessen bin ich mir bewusst. Aber hier und heute bin ich sehr froh und erleichtert, dass es sich so entwickelt hat, wie es ist.

Es hat sich ergeben, dass meine liebe und langjährige Freundin Bea in den ersten 10 Tagen dabei ist 😘 und nach der Hälfte der Zeit mich mein Sohn Kilian bis zum Ende begleitet. 🥰

Als wir im Januar unsere Reiseplanung gemacht, die Züge reserviert und alles besprochen hatten, habe ich den Gedanken an einen weiteren Gang durchs spanische Hinterland verdrängt. Ok, ich war regelmäßig wandern, aber eher aus Pflicht denn aus Lust daran.

In ruhigen Momenten, wenn mich die Realität erwischte, habe ich mir (wieder mal und wiederholt) ernsthaft die Frage gestellt, was das Ganze wieder soll? Ich habe 4 Wochen Urlaub vor mir. Ich könnte mir die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, die Welt bereisen, Abenteuer erleben, faul am Strand liegen, mich massieren lassen, Bücher lesen usw. Halt das, was man normalerweise so macht im Urlaub…

Nein, ich schleppe mich und meinen Rucksack wieder durch die spanische Prärie, bergauf und bergab, durch endlose Ebenen. Ich latsche mir die Füße wund, scheuere mir sonstige Stellen auf und rieche nach Pilger. Ich werde wieder weinen, klagen, jammern und zetern über diesen ganzen Scheiss hier. Ich muss wieder meine dämlichen inneren Dämonen besiegen, die mich vor allem mental, aber auch körperlich und spirituell am Laufen hindern wollen. Früh aufstehen, Rucksack packen, loslaufen, Pause machen, essen, trinken, ankommen, versorgen, schlafen. Tagein und tagaus aufs Neue und immer Richtung Osten.

Aber halt: die Dämonen habe ich doch schon besiegt, die können mich mal! Sollen sie nur auftauchen, dann schicke ich sie in die Hölle zurück. Ich werde wunderbare Erlebnisse haben, Neues erfahren über mich und die Menschen. Ich habe meine Ukulele dabei und ich werde spielen und singen. Und die Schmerzen und leidvollen Erfahrung werde ich überwinden, ich weiß ja, wie es geht.

Und die Sonne wird mir tatsächlich in diesem Urlaub nicht auf den Bauch scheinen, sondern direkt in mein Herz!

Und so sitze ich im Zug Richtung Südfrankreich und sinniere, was ich vom letzten Jakobsweg für diesen hier mitgenommen habe. Dazu kann ich gerade nur eins sagen:

Hit me, Baby, one more time

Nachtrag: eigentlich wollten wir am 21. April von Erlangen nach St. Jean Pied de Port Reisen. An einem Tag von zuhause bis tief in die Pyrenäen hinein. Aber dank des Bahnstreiks am 21. sind wir spontan am 20. schon nach Paris gefahren, haben dort einen entspannten Vormittag im Quartier Latin verbracht und beschlossen, unseren Pilgerweg genau hier beginnen zu lassen: