Selbstfürsorge und Achtsamkeit

Diese beiden Wörter sind in den letzten Jahren geradezu zu Modewörtern gemacht worden. Der moderne Mensch flicht diese Wörter wie beiläufig in seinen Sprachgebrauch ein, wie um zu beweisen, dass dies auch, selbstverständlich natürlich und anstrengungslos praktiziert wird.

Klagt jemand über Stress oder Überlastung, Sorgen oder auch Langeweile, heißt es oft, „übe Achtsamkeit“, „bleibe im Hier und Jetzt“, „kümmere dich um dich selbst“, oder „sei gut zu dir“.

Wenn man einen Glückskeks knackt, findet man diese Weisheiten, man kann sie sich auch tagtäglich als Erinnerung und Aufforderung als SMS aufs Handy schicken lassen! Bloß nicht vergessen! Sei achtsam und übe dich in Selbstfürsorge!

Wenn dem ganzen Hype keine Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist man dann auch noch selber schuld am gestressten, unzufriedenen Zustand, es wäre doch sooo leicht, was dagegen zu tun! Man hat es doch selber in der Hand!

Bei dem Versuch zu beschreiben, was das heissen soll, höre ich dann oft: „ich gehe mal früher ins Bett“, „Digitales Fasten“, mal in die Sauna gehen“, „gut Essen“, „Freunde treffen“, „Meditieren oder Yoga machen“, „Spazieren gehen“ und weil unter der Woche dafür keine Zeit ist, wird alles auf einmal am Wochenende gemacht, vielleicht noch miteinander kombiniert…

Bitte nicht falsch verstehen: daran ist nichts verkehrt! Dies alles ist gut und richtig, tut einfach gut.

Ist dies jedoch wirklich Selbstfürsorge? Es klingt ja ganz toll, aber all dies will ja auch organisiert werden. Das frühe Bettgehen ist ja noch easy, will ich aber mein Smartphone mal ein paar Tage ignorieren, wird es schon schwierig: meine Familie und Freunde werden vorab informiert, damit sie sich keine Sorgen machen. Der alte, analoge Wecker wird rausgekramt, müssen online noch Rechnungen bezahlt werden? Dann jetzt, dann isses weg.

Wenn ich dann was Schönes unternehmen will, wie soll ich denn jemanden fragen? Leichter ist es doch, schnell eine WhatsApp zu schicken: „Lust auf einen Spaziergang?“ oder „Gehen wir einen Wein trinken?“ aber wie geht denn das ohne Handy?

Bleibt noch das gute Essen, derzeit mit Nur mit vorgezeigten Impfstatus auf dem Phone.

Alles nichts, oder?

Nun kommt noch die Achtsamkeit hinzu. Auch so ein Modewort! Durch ein sog. Achtsamkeitstraining kam ich vor vielen Jahren zur Meditation. Erst später habe ich begriffen, dass Meditation seit Tausenden von Jahren in allen Kulturen und Religionen praktiziert wird und Achtsamkeit nur ein neuerer, moderner Ausdruck dessen ist. Und ein bisschen erweitert um verhaltenspsychologische Aspekte. Mittlerweile hat man die Wirkungen der Meditation sehr gründlich wissenschaftlich untersucht und nennt sie sehr modern „mindfulness based stress reduction“. Klingt sicherlich gleich viel moderner als Meditation, oder? Perfekt für den erwartungsvollen Menschen von heute, der dann erstmal lernt, die Erwartungen abzulegen.

Wie können also Selbstfürsorge und Achtsamkeit praktiziert werden, ohne daraus weitere Termine im Kalender zu blocken?

Selbstfürsorge im Sinn von „ich sorge für mich“, in jeder Hinsicht, auf allen Ebenen. Jede Handlung, jeder Gedanke wird mit der Frage verbunden „ist das wirklich gut für mich?“.

Auch wenn die Antwort „Nein“ lautet, macht das nichts. Es geht um die Frage an sich! Es geht darum, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was Körper, Geist und Seele gerade jetzt in diesem Augenblick brauchen. Das geht nicht von heute auf morgen: um eine neue Gewohnheit zu etablieren, sind 6-8 Wochen Übung nötig. Solange heißt es, Disziplin aufzubringen und immer wieder, viele Male täglich sich die entscheidende Frage zu stellen. Ist das gut für mich?

Langsam automatisiert sich diese Wahrnehmung und und wir verbringen mehr und mehr achtsame Augenblicke mit uns selbst. Ohne zu werten, ohne zu kritisieren, ohne zu vergleichen. Im einfachen Sein verweilen mit allem, was ist.

Was die Meditation betrifft, auch hier braucht es einige Wochen der täglichen Disziplin, um das Meditieren zu einem festen Bestandteil des Lebens zu machen. Aber wer einmal die Vorteile erfahren hat, dessen Geist und Körper will diesen Zustand einfach immer wieder erleben und drängt geradezu danach, wieder in die Stille zu gehen.

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